
In meiner Kindheit und Jugend war Lesen nicht nur meine Lieblingsbeschäftigung, sondern auch mein Schlüssel zur Welt. Die Lektüre kündete mir meine Zukunft: indem ich mich mit Romanheldinnen identifizierte, erahnte ich mein künftiges Geschick. In den undankbaren Momenten meiner Jugend hat die Lektüre mich vor Einsamkeit bewahrt. Später hat sie mir dazu gedient, meine Kenntnisse zu erweitern, meine Erfahrungen zu vervielfachen, meine Lage als menschliches Wesen und den Sinn meiner Arbeit als Schriftstellerin besser zu verstehen. Heute ist mein Leben eine fertige Sache, und ebenso mein Werk; selbst wenn letzteres weiter wachsen sollte: kein Buch wäre imstande, mir eine blitzartige Erleuchtung zu verschaffen. Dennoch fahre ich fort, viel zu lesen (…).
(Simone de Beauvoir, Alles in allem)