Literatur-Schnellcheck: Die Mandarins von Paris (1954)
Intellektuelle Irrungen und Wirrungen – darum geht es in Simone de Beauvoirs preisgekröntem Roman.
Worum es geht
Um die Dilemmata, vor denen französische Intellektuelle nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1940er Jahren stehen. Hauptpersonen sind der Journalist, Schriftstelle und ehemalige Widerstandskämpfer Henri Perron und die Psychoanalytikerin Anne Dubreuilh. Anne ist mit dem berühmten – um die 20 Jahre älteren – Philosophen Robert Dubreuilh verheiratet und hat mit ihm eine erwachsene Tochter, Nadine. Dazu gesellt sich ein buntes Potpourri an Nebencharakteren. Eine der Hauptkonfliktlinien verläuft zwischen Henri und Robert: Henri möchte seine politische und intellektuelle Unabhängigkeit bewahren, Robert ihn und seine Zeitschrift Espoir jedoch für sein Projekt einer unabhängigen nichtkommunistischen Linken gewinnen. Anne stellt derweil fest, wie einsam und unglücklich sie in der Beziehung mit Robert ist und stürzt sich in eine Affäre.
Worum es wirklich geht
Um Gewissenskonflikte, um den Zwiespalt zwischen Denken und Handeln, um Engagement, um Authentizität und darum, das ‚Richtige‘ tun zu wollen.
Was das Buch lesenswert macht
Die Mandarins ist Simone de Beauvoirs dichtester und epischster Roman. Hier wird eine ganze Epoche lebendig, wird man hineingezogen in das Pariser Intellektuellen-Milieu, nimmt man Teil an Streits, Diskussionen und Affären. Das Beste an dem Roman ist, dass er mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.
Insiderwissen
Als Die Mandarins 1954 erschien, erhielt Simone de Beauvoir dafür noch im gleichen Jahr den prestigeträchtigen Prix Goncourt. Der Roman wird oft als Schlüsselroman gelesen, in dem die Charaktere real existierenden Personen entsprechen: Jean-Paul Sartre ist angeblich Robert Dubreuilh, Albert Camus angeblich Henri Perron, und so weiter. Beauvoir selbst hat sich gegen solch eine Lesart ihres Romans immer gewehrt – auch wenn sie ihrem Geliebten Nelson Algren schrieb, sie habe „eine Menge Figuren erfunden, die uns repräsentieren sollten.“
Zum Zitieren
„In einem gekrümmten Raum lässt sich keine gerade Linie ziehen“, sagte Dubreuilh. „Man kann kein korrektes Leben in einer Gesellschaft führen, die nicht korrekt ist. Man stößt immer wieder an, auf der einen oder der andern Seite. Wieder so eine Illusion, die wir ablegen müssen“, schloß er. „Es gibt kein persönliches heil.“ Henri sah Dubreuilh unsicher an. „Was bleibt uns dann noch übrig?“ „Nicht viel, glaube ich“, sagte Dubreuilh.
Monday Musings #34
Aus: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen?, in: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen? Drei Essays zur Moral des Existentialismus, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg
Thank Gif it’s Friday #13
Monday Musings #33
Aus: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen?, in: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen? Drei Essays zur Moral des Existentialismus, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg
Interview mit Radio Néo
Für diejenigen, die Französisch sprechen und/oder verstehen: Ein kleines Interview mit Radio Néo über meinen French Crush Simone de Beauvoir. Die Sendung kann hier angehört werden.
Oh, Simone! kommt am 15. Dezember
Am 15. Dezember ist es so weit: Oh, Simone! Warum wir Beauvoir wiederentdecken sollten erscheint! Das Buch kann in allen Buchläden oder auf Amazon vorbestellt werden und kostet 12,99 Euro.
Monday Musings #32
Aus: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen?, in: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen? Drei Essays zur Moral des Existentialismus, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg
Paris, je t’aime: Städtetrip mit Simone de Beauvoir #4

Paris: die Stadt der Liebe… und die Stadt der Simone de Beauvoir. Heute: das erste eigene Zimmer.
Was: Erstes eigenes Zimmer
Wo: Avenue Denfert-Rochereau Nr. 91
1929, mit 21 Jahren, verließ die Studentin Simone de Beauvoir ihr Elternhaus auf der Rue de Rennes. Dort hatte sie zehn Jahre gelebt und sich ein Zimmer mit ihrer Schwester Hélène geteilt. Seit 1925 studierte Beauvoir Philologie am Institut Sainte-Marie im Pariser Vorort Neuilly, sowie Mathematik am Institut Catholique. 1926 wechselte sie dann zum Philosophie-Studium an die Sorbonne. Die Enge der elterlichen Wohnung fühlte sich für Beauvoir wie ein „Gefängnis“ an – etwas Eigenes musste her. Also zog Beauvoir in ein Zimmer im Haus ihrer Großmutter (der sie wie eine ganz normale Mieterin Miete zahlte). Für ihre stets übervorsichtige und aufdringliche Mutter war das die einzig akzeptable Lösung. Beauvoirs Großmutter respektierte die Privatsphäre ihrer Enkelin und mischte sich nicht in deren Leben ein: Keine neugierige Mutter mehr, die Briefe an ihre Töchter abfing und las, die in ihrem Zimmer herumschnüffelte! Die junge Simone fühlte sich endlich frei und jubelte in ihrem Tagebuch:
Hier ist mein Zimmer mit dem Gemälde von Michelangelo, das Lama (ihr Freund René Maheu, Anm.) mir gegeben hat, die Blumen von Stépha (eine Freundin, Anm.) und die Zeichnungen von meinen Freunden. Hier sind meine Kleider, meine Zigaretten, mein Gesicht. Alles davon habe ich selbst ausgewählt, alles habe ich selbst ausgesucht. Hier bin ich mir plötzlich bewusst darüber, frei und jung und eine Frau zu sein.
Monday Musings #31
Aus: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen?, in: de Beauvoir, Simone (1983): Soll man de Sade verbrennen? Drei Essays zur Moral des Existentialismus, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg